Dôle: Der Walliser Klassiker.

Es gibt Weine und Rebsorten, die Weinfreunde und Geniesser rein vom Namen her ins Schwärmen bringen. Fällt der Begriff «Bordeaux», dann sind die Freaks dieser grossartigen und manchmal sehr kostspieligen Rotweine nicht mehr zu halten. Für jene, die eher dem Mainstream zusprechen, gehört der kräftige, opulente Primitivo aus Apulien zu den heiss geliebten Getränken, egal wie viel Restzucker im Wein enthalten ist. Im Wallis wiederum liegen derzeit Crus aus einheimischen Sorten wie Petite Arvine, Heida, Amigne, Cornalin, Humagne rouge und wie sie alle heissen stark im Trend.

Durchaus zu Recht, denn aus diesen Trauben werden charaktervolle, unverwechselbare Gewächse gekeltert. Andere Weine haben es schwerer, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Beispielsweise der Dôle, der zwar untrennbar mit dem Wallis verbunden ist. Der Tropfen wurde oder wird weiterhin aber oft mit Masse statt Klasse gleichgesetzt. Ihm hat wahrscheinlich auch der Umstand geschadet, dass die Regeln in der Vergangenheit mehr oder weniger regelmässig geändert wurden. Seit 1993 ist es fix: Der Dôle muss zu 85 Prozent aus einem Mischsatz von Pinot noir und Gamay bestehen. Zudem sind im Rahmen der restlichen 15 Prozent zusätzliche Sorten erlaubt, welche die Produzenten im grössten Anbaugebiet der Schweiz kultivieren, etwa Merlot, Syrah, Gamaret, Diolinoir oder Ancellotta. Diese Zusammensetzung stösst nicht nur auf Zustimmung: Liebhaber des klassischen Dôle aus Pinot noir und Gamay kritisieren, dass dadurch die Identität verloren ginge. Die Befürworter dagegen sind überzeugt, dass die neue Regel zu einer Verbesserung der Qualitäten geführt habe.

Unbestritten ist: Der Dôle ist ein Walliser Klassiker und weder in den Regalen der Händler noch auf den Weinkarten der Restaurants wegzudenken. Er hat eine lange Geschichte, denn der Name – er stammt von einer gleichnamigen Stadt im französischen Jura – wurde bereits Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals für den Gamay erwähnt. Später wird ein Wein aus Pinot noir als Dôle bezeichnet, bevor er sich dann auf einen Mischsatz beider Gewächse bezogen hat. Ende der fünfziger Jahre stieg im Wallis die Produktion von Rotwein drastisch an. Dies hätte zu einer Qualitätseinbusse des Dôle führen können. Dem wollte man einen Riegel schieben. Aus diesem Grund durfte diese Bezeichnung nur noch für Gewächse verwendet werden, die einen Zuckergehalt von mindestens 83 Oechslegrade aufwiesen. Wird dieses Mostgewicht nicht erreicht, kann der Dôle deklassiert und als «Goron» verkauft werden.

Heute lassen glücklicherweise viele Produzenten dem Dôle die notwendige Aufmerksamkeit angedeihen und setzen konsequent auf Qualität. Zu Recht, denn der Wein trumpft mit Eigenschaften und Merkmalen auf, die gut in unsere Zeit passen. Er ist in der Regel fruchtig, leicht, weder übermässig hoch im Alkohol noch von einer störenden Holzaromatik geprägt, elegant, unkompliziert, gesellig. Je nach Terroir und Machart des Winzers entstehen durchaus unterschiedliche Ausdrucksformen. Es gibt wohl keinen idealeren, auf der Terrasse oder im Garten zu geniessenden Wein, der eine Trockenfleisch- oder Käseplatte auf perfekte Art und Weise begleitet. Da kommt unweigerlich gute Stimmung auf.

Einen Dôle de Salquenen hat auch die Weinfamilie Albert Mathier & Söhne im Sortiment. Der Salgesch 2019, dem ein kleiner Anteil Gamaret hinzugefügt wird, glänzt mit unverwechselbaren, für die Assemblage typischen Eigenschaften. Im Glas funkelt ein intensives Rubinrot. Das reintönige, frucht-würzige Bouquet spricht sofort an. Im Gaumen fallen wiederum die schöne Frucht, die gut integrierte Säure, die weichen Tannine und der harmonische Abgang auf. Der mittelschwere, zugängliche Dôle wird im Stahltank ausgebaut und dürfte sich gewiss vier, fünf Jahre auf diesem Niveau halten. Die Trauben stammen aus einem Rebberg, der 560 Meter über Meer liegt. Die Kalk- und Kiesböden bilden eine ausgezeichnete Unterlage namentlich für den Pinot noir.

Dieses Beispiel ist Beweis dafür, dass der Dôle trotz starker Konkurrenz moderner, vielleicht auch modischer Sorten durchaus seinen Platz im vielfältigen Walliser Weinuniversum hat. Nichts gegen neue Trends, kein schlechtes Wort gegen Innovationen, aber es lohnt sich je länger, je mehr, auch das Traditionelle, Bewährte im guten Sinne in zunehmend schnelllebigen und unsicheren Zeiten nicht aus den Augen zu verlieren. Diesen Werten gehört bestimmt die Zukunft. Regional statt global – gerade dieser hochaktuellen Devise wird der Dôle mehr als gerecht.

Peter Keller ist Weinredaktor der NZZ am Sonntag und führt regelmässig Weinseminare für die Leser durch. Zudem arbeitet der Weinakademiker für den Coop-Weinclub Mondovino, wo er für das Raritäten-Sortiment aussergewöhnliche Trouvaillen selektioniert.