Domaine de Ravoire: Investition mit Mehrwert.

Heute ist es gang und gäbe, Geld für ein bestimmtes Projekt über Crowdfunding zu sammeln. Sofern die Idee überzeugt und genügend Spender anspricht, fliessen die benötigten Franken in die Kasse der Initianten. Auch Vorhaben aus der Weinwelt werden auf diese Art und Weise finanziert. Einen anderen Weg beschritt die Domaine de Ravoire: Um einen der ältesten Rebberge des Wallis vor der Vergandung zu retten, suchte die Albert Mathier & Söhne AG Aktionäre – und wurde fündig.

Ich war Geldgeber der (fast) ersten Stunde und investierte den (bescheidenen) Betrag von 500 Franken – aus Überzeugung. Die Aussicht auf eine mögliche Dividende, allenfalls in flüssiger Form einer Flasche Wein, war nicht der Grund für das Engagement. Es stecken vielmehr ideelle Überlegungen dahinter. Denn: Es lohnt sich, alte Rebberge in Steillagen und mit Trockensteinmauern vor dem Verfall zu retten. Sie bilden ein wertvolles Kulturerbe und bieten ein spektakuläres Landschafts-Panorama. Die Domaine de Ravoire ist ein terrassierter Reb- berg, der im Unterwallis zwischen Leytron und Ovronnaz liegt. Um einen solchen Weingarten zu erhalten, zahlt man einen hohen Preis. Die Handarbeiten sind mühsam.

Auf Maschinen muss verzichtet werden. Das kostet und hat zur Folge, dass die Produktion von Wein kaum kostendeckend zu betreiben ist. Angesichts dieser Tatsache scheuen viele Winzer diesen Aufwand und lassen die Rebberge verganden. Umso höher ist das Engagement jener zu werten, die sich für die Domaine de Ravoire einsetzen. Bis heute konnten über 150 Aktionäre von der Idee überzeugt werden. Die Mehrheit des Kapitals liegt bei der Albert Mathier & Söhne AG.

Ohne in allzu viel Lobhudelei ausbrechen zu wollen: Mir sind in der Schweiz keine vergleichbaren, dergestalt finanzierten Projekte bekannt. Ich bin überzeugt, dass bei Weingeniessern die Bereitschaft für unkonventionelle, innovative Wege besteht. Die Domaine de Ravoire würde eigentlich Nachahmer verdienen.

Der Walliser Wein, von dem es ein Beispiel in Rot und Weiss gibt, ist mit keinem anderen Gewächs zu vergleichen. Die Aktionäre des Guts bestimmen nämlich per Mehrheitsentscheid, wie sich die beiden Blends zusammensetzen. So viel Demokratie existiert wohl bei keinem anderen Wein. In dem 1876 erstmals bepflanzten Rebberg sind heute zahlreiche Rebsorten zu finden, etwa Heida, Pinot blanc und Viognier bei den Weissen, etwa Pinot noir, Syrah, St. Laurent und Merlot bei den Roten.

Die Vielfalt hat zur Folge, dass sich die Weine faktisch jedes Jahr anders zusammenzusetzen. Sie sind einerseits einmalig, andererseits vielleicht wegen den jeweils unterschiedlichen Anteilen der einzelnen Sorten nicht immer ganz einfach (wieder) zu erkennen. Aber dies ist vielleicht der einzige Vorwurf, dem man dem Domaine de Ravoire® machen könnte.

An der Qualität der edlen Tropfen nämlich gibt es nichts zu rütteln – und dies trifft auf fast alle Jahrgänge seit dem Start vor 13 Jahren zu. Ich habe in der Vergangenheit nicht alle, aber zahlreiche Weine verkostet. Sie werden bewusst in kleinen Holzfässern ausgebaut. Sowohl Rot als auch Weiss verfügen über ein Reifepotenzial von zehn und mehr Jahren, wie beispielsweise der rote Domaine de Ravoire® 2007 beweist. Der Jahrgang gehört generell zur Spitze der bisher erzeugten Weine.

Zu den grossen Beispielen zählen zudem der 2015er, 2012er, 2011er und 2009er. Schwieriger zu verkosten sind die roten Domaine de Ravoire® 2014 und 2013, was mit dem hohen Anteil von Gamaret (rund 40 %) zusammenhängen dürfte. Beide zeigen eher wenig Frucht und eine gewisse Bitterkeit. Hoch hinaus mit der Domaine de Ravoire ging es in jenem Fall, als die Airline Swiss letzten Sommer den Wein den Passagieren der First Class kredenzte.

Die Vorzüge dieser Walliser Preziosen liegen generell darin, dass sie mit Kraft, Fülle, Komplexität, Tiefe und Länge überzeugen. Die Tannine sind reif, das Holz ist gut integriert. Die Gewächse wirken nicht opulent oder fett. Dem Weissen dürfte je nach Jahr ein Tick mehr Säure gut tun. Beide Weine sind hervorragende Speisenbegleiter. Wer in die Domaine de Ravoire investiert hat, unterstützt nicht nur ein sinnvolles und wegweisendes Projekt. Es ist auch ein sehr genussvolles Engagement. Und man geniesst einen Wein auf eine andere, bewusstere Art und Weise, wenn man den Rebberg sowie den Winzer kennt. Und sogar zu einem kleinen Teil Miteigentümer ist – 500 Franken für eine gute Sache.

Peter Keller ist Weinredaktor der NZZ am Sonntag und führt regelmässig Weinseminare für die Leser durch. Zudem arbeitet der Weinakademiker für den Coop-Weinclub Mondovino, wo er für das Raritäten-Sortiment aussergewöhnliche Trouvaillen selektioniert.