Önologisch: Trink nicht schon.

Das bereits im Rhoneblut-Newsletter Nr. 25 kurz vorgestellte K/I/B-Projekt ist nun weiter fortgeschritten. Dazu ein paar Fragen an Amédée Mathier.

Rhoneblut: Lieber Amédée. Könntest du für unsere Leser nochmals kurz das Konzept hinter diesem Projekt erläutern?
Amédée Mathier: Unser K/I/B-Projekt basiert auf der Idee, die gleiche Rebsorte aus dem gleichen Rebberg im gleichen Keller, aber in verschiedenen Behältnissen auszubauen. Nämlich im Kvevri (Amphore), im Inox (Stahltank) und im Barrique.

RB: Nun wurde diese Idee mit der Rebsorte Lafnetscha umgesetzt. Diese Sorte ist wohl den wenigsten unserer Leser bekannt. Kannst Du uns mehr darüber erzählen?
AM: Lafnetscha ist eine autochthone (lokale) Weissweinsorte des Kantons Wallis. Sie wird vorrangig im deutschsprachigen Oberwallis angebaut. Gemäss einer DNA- Analyse von José Vouillamoz ist sie eine spontane Kreuzung zwischen Humagne blanc und Completer. Der Name ist dem Walliserdeutsch angelehnt. Da die spätreifende Rebe fast immer zu früh und die Beeren somit in einem unreifen Zustand geerntet werden müssen, benötigt der Wein wegen seiner Säure und Herbheit einen langen Ausbau und kann deshalb nicht zu jung getrunken werden. «Laff nit scha» heisst daher sinngemäss «trink nicht schon».

RB: So und nun sind wir natürlich auf die Resultate gespannt. Wie schmeckt er denn, der Lafnetscha aus dem Kvevri?
AM: In den Kvevri kommen immer Schale, Kerne und ein Teil der Stiele. Aus diesen Elementen stammen auch die Tannine und daraus die wahrgenommene Säure. In der Önologie sagt man, diese Tannine müssen «geschliffen» bzw. «optimiert» werden. Wie das geht, ist ein gut gehütetes Kellergeheimnis, gebildet aus Erfahrung, Wissen über Traubensorten, Erntezeitpunkt, Boden und Erde. Als Pionier im Kvevri-Ausbau sind wir auf die Idee gekommen, dass gerade so eine ungestüme, autochthone Traubensorte wie der Lafnetscha seine vinifikatorische Heimat in einem in der Erde vergrabenen Tongefäss finden kann. Der Lafnetscha fühlt sich ungestört in der Erde offensichtlich sehr wohl. Lafnetscha aus dem Kvevri: bodenständig, rund, eher schwererer Stoff.

RB: Das wohl am Häufigsten eingesetzte Behältnis für den Ausbau von Weisswein ist der Stahltank. Da ist kaum eine grosse geschmackliche Überraschung zu erwarten, oder doch?
AM: Eben doch. Genau die glatte Stahloberfläche und die Undurchlässigkeit des Stahls zwingen den Wein, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Traubensorten mit viel Eigengeschmack können darin ihr volles Potential entfalten. Die Tannine bleiben etwas härter und sie helfen, die Aromatik zu unterstreichen. Weine aus dem Stahltank sind eine Spur frischer und im ersten Moment aromatischer. Der Lafnetscha aus dem Stahltank: leicht, frisch, im Sommerkleid.

RB: Und wie bekommt dem Lafnetscha der Ausbau im Barrique?
AM: Im Gegensatz zum Kvevri kommt der Lafnetscha nur in seiner Reinheit als Saft ins Barrique. Der Lafnetscha fühlt sich auch hier sehr wohl, aber die Diva Lafnetscha ist in dieser Umgebung anspruchsvoller. Sie wählt sich ihr Holz, in das sie gelegt werden will, sorgfältig aus. Erst wenn sie sich darin wohlfühlt, lässt sie die Tertiäromen (Röstaromen) des Holzes an sich heran und räkelt sich im Fass, bis wir finden, nun geht’s in die grosse Welt. Der Lafnetscha aus dem Barrique: eine ausgewogene Mischung von Frische und würzigen Holznoten.

RB: In welcher Weise werden die Erkenntnisse aus diesem ersten K/I/B-Projekt nun in die künftige Lafnetscha-Produktion einfliessen?
AM: Nun ja, wir sind ja noch am Anfang der Geschichte. Wir wissen was mit dem Lafnetscha in den Behältnissen passiert, was önologisch passiert. Die Generalprobe scheint geglückt. Die grosse Frage, die sich nun stellt: Findet er die Weingeniessenden? Würdigt ihn das Publikum?

RB: Sind bereits nächste K/I/B-Projekte in Planung, und darf man erfahren, mit welchen Rebsorten diese durchgeführt werden?
AM: Bei den Weissweinen werden wir evtl. den Roussanne oder den Marsanne probieren. Dies sind unsere Ur-Traubensorten der Kvevris. Bei den Roten könnte es der Syrah sein. Bis jetzt immer in Kombination mit ei- ner zweiten Rebsorte im Kvevri, könnte man auch ein Kvevri nur mit Syrah befüllen und ausbauen. Stahl und Holz existieren bereits. Wie es weiter geht, entscheiden Sie. Lassen Sie sich von den Lafnetschas finden und verführen.